Die Geschichte der "Johann Michael Hesse Orgel" in der Dreifaltigkeitskirche zu Holzhausen

Gut 250 Jahre hat die Orgel in der Dreifaltigkeitskirche ihren Dienst getan.

Anfangs, nach ihrer Erbauung, und gewiss noch bis zum 1. Weltkrieg, war das Instrument hoch geschätzt und regelmäßig „traktiert“, hatten doch die Holzhäuser, gleich nachdem ihr Pfarrhaus fertiggestellt war, einen der am meisten geschätzten Orgelbauern Thüringens mit dem Bau „ihrer“ Orgel beauftragt: Johann Michael Hesse aus Dachwig, der seit etwa 1760 bereits mindestens 7 hervorragende Orgelwerke im Thüringer Raum erbaute.

Unter anderem entstand unter den sachkundigen Händen des Meisters wahrscheinlich 1786 die Orgel in der benachbarten Haarhäuser Kirche (welche –und das ist mit großem Schmerz gesagt- 1972 einer Brandstiftung zum Opfer fiel. Die im Kirchenarchiv noch vorhandenen handschriftlichen Baupläne Hesses zeugen von der Bedeutung und Schönheit des heute vollständig zerstörten Instrumentes). Der Ortschronist von Holzhausen hielt fest: „ 1788 beginnt der Orgelmacher Heß (es fanden sich auch von J.M. Hesse verwendete unterschiedliche Schreibweisen des Nachnamens, so auch eine Inschrift in der Holzhäuser Orgel „Hesß) aus Dachwig mit dem Orgelbau. Die Kosten betragen 475 Reichsthaler. Die Kirche trägt die Hälfte der Kosten. Eine vom Erbauer stammende Bleistifteintragung an der Seitentür belegt, dass die Orgel mit 100 Pfeifen im Pedalwerk, 520 Pfeifen im Oberwerk und 663 Pfeifen im Hauptwerk, also insgesamt 1283 Pfeifen ausgestattet wurde. Eine beachtliche Größe.

Immer wieder berichten die Annalen, welcher Schulmeister die Orgel spielte, was zu besonderen Anlässen gespielt oder gesungen wurde. Die Orgel war Mittelpunkt des Gemeindelebens. Bis heute werden noch Geschichten über die Streiche der Bälgetreter erzählt.

Im Orgelgehäuse finden sich auch aufschlussreiche Eintragungen von den diversen Reparaturen und Umbauten der Orgel: So reparierte Orgelbauer Koch aus Gräfentonna 1855 die Orgel, nachdem 1808 die Kirche fast komplett abgerissen werden musste. Es folgen zahlreiche Reparaturen und kleinere Umbauten bis kurz vor Beginn des ersten Weltkrieges, ausgeführt von bekannten Thüringer Firmen.

1917 wurden, wie in zahllosen anderen Kirchen, die Prospektpfeifen für Kriegsmaterial eingezogen.

1928, nach nur rund 100 Jahren, war die Kirche schon wieder baufällig, wurde komplett gesperrt und die Orgel ausgebaut. Nach der Kirchsanierung wurde die Orgel bereits 1929 von Rudolf Böhm aus Gotha wieder eingebaut und fand nun einen besseren Platz auf der 1. Empore, wo sie laut Chronik „ein architektonisch schönes Bild bietet, das Orgelgehäuse besser zur Geltung kommt und der Klang sich besser entfaltet. Sie steht jetzt außerdem mehr in der Gemeinde, was für die Leitung des Gesangs vorteilhaft ist.“ Wo die Orgel vorher stand, konnte bis heute nicht herausgefunden werden.

Laut Ortschronik gab es zu Zeiten der DDR weder Kirche noch Orgel in Holzhausen - sie wurden mit keinem Wort erwähnt, es steht auch nicht geschrieben, dass die Kirche viele Jahre baupolizeilich gesperrt war und erst in den 80er Jahren mit großen Anstrengungen von Ortspfarrer und Kirchgemeinde wieder in Stand gesetzt wurde.

1978 und 1980 wurden zum letzten Mal größere Arbeiten an der Orgel vorgenommen, nachdem sie 1974 bei einer Dachreparatur einen großen Wasserschaden erfuhr. Es waren Notreparaturen an den am meisten betroffenen Windladen, und so klang die Orgel künftig auch.

Dennoch- sie war bespielbar und wurde bespielt, in den Gottesdiensten und zu besonderen Anlässen. Konzerttauglich war sie schon lange nicht mehr. Sachkundige Organisten kamen jedoch im Rahmen von Orgelführungen und beschworen den Glanz und wunderbaren Klang der nicht mehr majestätischen Königin aus frühen Jahren wieder herauf. Manche der einprägsamen und für Hesse typischen Register (z.B.Flauto Traverso) zeugten immer noch von der hohen Kunst ihres Erbauers, dessen Name und Kunstfertigkeit jedoch Thüringenweit in Vergessenheit geraten war.

Ganz leise erscholl um 2010 ein Ruf in Holzhausen: Solch ein Kulturgut kann und darf nicht verfallen. Der Ruf wurde lauter, wurde gehört.

Am 7.10. 2010 lag ein ermutigendes Gutachten der zuständigen Orgelsachverständigen vor, das die dringende Notwendigkeit der Sanierung und gleichzeitig den besonderen Wert der Hesse-Orgel deutlich machte.

Der Stein kam langsam, dann immer schneller ins Rollen. Zahlreiche Gespräche wurden geführt, andere Kirchgemeinden mit Orgelsanierung besucht, Gemeindekirchenratssitzungen abgehalten. Immer wieder gab es ein Zurückschrecken vor den enormen Kosten und dem schier kaum zu bewältigen organisatorischen Aufwand. Schließlich wurden doch Kostenvoranschläge verschiedener Thüringer Orgelbaufirmen eingeholt.

Joachim Stade, Chef von „Orgelbau Waltershausen“ hatte sich im Zuge der Restaurierung der Hesse- Orgeln von Seebergen und Wahlwinkel bereits intensiv mit der Orgelbauwerkstatt Hesse aus Dachwig befasst. Er schreibt in seinem Angebot für die Restaurierung der Holzhäuser Orgel: „ Die Orgelbauwerkstatt Hesse aus Dachwig baute in der zweiten Hälfte des 18. Jahhunderts und der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Thüringer Raum mit die besten Instrumente, was aber zusammenmit dem weitgehenden Verlust des Bewusstseins einer einzigartigen Musik- und Orgelkultur in unserer Region leider in Vergessenheit geriet. Mittlerweile wird der Wert der Hesse-Orgeln zunehmend erkannt (…). Orgelfreunde aus aller Welt kommen immer häufiger zu den restaurierten Instrumenten in Seebergen und Wahlwinkel, lernen sie schätzen und tragen zur Verbreitung ihres guten Rufes bei.(…) Bei der Holzhäuser Orgel handelt es sich „auf jeden Fall um eines der wenigen erhaltenen Werke aus der ersten Generation, von Johann Michael 1, dem Begründer der Dachwiger Orgelbaudynastie“.

Am 3.7.2012 gründete sich in Holzhausen der „Verein zur Erhaltung der Hesse Orgel in der Dreifaltigkeitskirche Holzhausen“

Aus dem Funken wurde eine Flamme. 40 Vereinsmitglieder engagieren sich nun für „ihre Orgel“, die mittlerweile ausgebaut ist und in drei Bauabschnitten restauriert wird. Der noch ausstehende dritte Bauabschnitt ist für 2017 vorgesehen, da vor dem Wiedereinbau der Orgel die Bauschäden in der Kirche zu reparieren sind. In den Sommermonaten finden regelmäßig Konzerte statt, es gibt zahlreiche gemeinsame Aktivitäten mit anderen ortsansässigen Vereinen und es wird besonderer Wert auf die Nachwuchsarbeit gelegt. So steht die diesjährige Konzertreihe unter dem Motto: “Kinder macht Musik“.

Die Hesse-Flamme lodert jetzt aber auch thüringenweit. Es gründete sich, gemeinsam mit dem Heimatverein Dachwig, ein Hesse- Freundeskreis mit Orgelfreunden aus Thüringer Orten, die eine Hesse- Orgel in ihrer Kirche beherbergen. Gemeinsam werden Forschungen betrieben, Ergebnisse ausgetauscht und dokumentiert. Es liegen bereits zwei Abschlussarbeiten von Kirchenmusikstudenten zum Thema Hesse vor. Für 2016 gab der Freundeskreis einen Kalender heraus: Hesse-Orgeln in Thüringen. Gemeinsam werden Hesse- Orgeln besucht, bespielt, bewundert und notwendige Sanierungsvorhaben angestoßen.

Hochinteressant und brisant dazu sind die Forschungsergebnisse über den letzten Spross der Dynastie: Julius Hesse. Er soll in Arnstadt am Umbau der Wender-Orgel gescheitert sein und wurde, wie sich jetzt erst herausstellte, zu Unrecht diffamiert. Danach kam das Ende der damals hoch geschätzten Orgelbauerdynastie. Ein brennend interessantes Thema für weitere Forschung und notwendige Veröffentlichungen. Julius Hesse soll posthum rehabilitiert werden- ein Ziel des Hesse- Freundeskreises.

Wer kennt sie schon - die wunderbar klingenden und gut gepflegten Orgelwerke von Julius Hesse in Rockhausen oder in Rehestädt? Ein Schatz in nächster Nähe, zudem mit unglaublicher Geschichte.

Ein Besuch lohnt sich, er lohnt sich gewiss auch in Holzhausen, wenn voraussichtlich Ende 2017 die Holzhäuser Königin wieder in aller Pracht zu bewundern ist.

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